Nach erfolgreichem Prokrastinieren fangen wir nun an, in unserem Online-Auftritt aktiv zu werden. Einen lesenswerten Artikel zu diesem Phänomen, der in der Sommerausgabe 2014 erschienen ist, findet ihr hier.
Ein nicht näher
zu bezeichnender Montagmorgen vor der ersten Stunde: Wie üblich
chillt die MSS 11 in der Aula und tauscht sich über das mehr oder
minder ereignisreiche Wochenende aus, wobei unvermeidlich auch die
unangenehme Frage „Hast du schon für die Kursarbeit xy gelernt?“
auftaucht. Nachdem alle irgendetwas Unverständliches über
Zusammenfassungen oder mal ausnahmsweise gemachte Hausaufgaben
murmeln, antworte ich: „Ich habe am Wochenende erfolgreich
prokrastiniert“. Stille. Zugegeben: Meine Wortwahl war schon etwas
ausgefallener, aber dass wirklich niemand wusste, was das Wort
„prokrastinieren“ bedeuten soll, gab mir zu denken. Auch dass
mehrere Deutschlehrer unserer Schule (Ich will keine Namen nennen
;-)) nichts mit dem Wort anzufangen wussten, verunsicherte mich in
meiner Überzeugung. Als der Ausdruck aber dann in meiner
Überschrift, als ich begann diesen Artikel zu schreiben, rot
unterschlängelt war, hielt ich kurz inne. Hatte ich all die Leute,
denen ich dieses Wort in der Vergangenheit erklärt hatte, nicht
eines Besseren sondern eines Schlechteren (gibt es das? :-D) belehrt?
Existierte es überhaupt? Was tue ich also? Natürlich: Internet
öffnen, Google befragen. Und da: Den Begriff gibt es, und er
bedeutet genau das, wovon ich ausgegangen war. Lange Rede, kurzer
Sinn: Prokrastination bedeutet so viel wie das Aufschieben
unliebsamer Tätigkeiten.
Dieses Verhalten wird, laut Wikipedia,
durch drei Kriterien gekennzeichnet: „Kontraproduktivität,
mangelnde Notwendigkeit und Verzögerung.“ Langsam wird sicher
klar, was an einem Wochenende, an dem man prokrastiniert, wohl so
passiert. Richtig: Nichts, was als sinnvoll einzustufen ist. Das kann
sich natürlich vollkommen unterschiedlich darstellen.
Man kann sich nun mit der Frage
beschäftigen, warum man überhaupt prokrastiniert. Ich denke die
Angst, sich der Menge an zu bewältigenden Faktoren zu stellen und an
ihnen zu scheitern, Faulheit oder ein schlichtweg unerschütterlicher
Glaube an die eigene Intelligenz sind schon mal ein paar gute
Ansätze. Aber warum stellen wir uns nicht einfach dem, was wir
erledigen sollen, wenn wir doch ohnehin nichts Besseres zu tun haben?
Diese Frage ist natürlich rhetorischer Art, denn die Antwort ist,
wann wir mal ehrlich sind, doch klar: Weil wir keine Lust haben bzw.
andere Tätigkeiten für wichtiger halten. An dieser Stelle fällt
mir auch Julia Engelmann ein, eine junge Poetry-Slammerin (oh, ein
weiteres spannendes Thema ;-)) die letztes Jahr mit ihrem Text, in
dem sie sich auf das Lied „one day baby we‘ll be old“ bezieht,
und mit dem sie in ganz Deutschland Aufmerksamkeit erregte, sagte:
„Ich bin so furchtbar faul, mein Patronus ist ein Schweinehund“.
Sehr schöne Verbildlichung, wie ich finde.
Soweit, so gut. Wir halten also
Tätigkeiten wie Fernsehen, Musik hören, Facebook, Freunde treffen
etc. für wichtiger als unseren schulischen Erfolg. „NEIIIIN!“,
werden da jetzt einige sagen, „Natürlich ist die
Mathe-/Bio-/Geschiarbeit wichtig. Davon hängt schließlich meine
Zeugnisnote, davon meine Versetzung, ab der 11/2 das Abitur und somit
mein ganzes Leben ab (Anmerkung: Dieser Satz ist reichlich
übertrieben und mit Humor zu verstehen). Man steht im Endeffekt im
Zwiespalt „entweder Spaß oder Lernen“, und bis auf ein paar
wenigen, mit eiserner Disziplin gesegneten Menschen (wer bewundert
sie nicht…), fällt diese Entscheidung natürlich denkbar leicht.
Aber was ist mit unserem Gewissen?
Meldet sich das nicht zu Wort, wenn man das Lernen für eben jene,
höchst wichtige Mathe-/Bio-/Geschiarbeit hinten anstellt? Eigentlich
schon, doch auch hier weiß sich die intelligente, aber
arbeitsunwillige Schülerin natürlich zu helfen. Und wie? Sie
erfindet eine Ausrede, um vor sich selbst die eigene Faulheit zu
rechtfertigen. Glaubt ihr nicht? Hier eine kleine Kostprobe:
„Unter Druck kann ich viel besser
arbeiten.“
„Wenn ich abends lerne, kann ich mir
den Stoff viel besser merken.“
Oder einfach:
„Ich hab ja noch Zeit!“
Na, kommt euch da Irgendetwas bekannt
vor? Auch wenn man es vielleicht nicht laut äußert, im Stillen
redet man sich solche Dinge zur Legitimation der eigenen Untätigkeit
doch des Öfteren ein, oder?
Wie aber kann man den inneren
Schweinehund besiegen? Warum bringen wir uns andauernd in jene
stressigen Situationen, in denen der Zeitdruck auf einmal immens hoch
ist? Stellt sich mit der Zeit denn kein Lerneffekt ein? Eher nicht.
Solange wir mit unserem nächtlichen Powerlernen vor Arbeiten,
Referaten etc. eine halbwegs passable Note erreichen, ist wohl leider
keine Besserung in Sicht…
Was aber möchte ich mit diesem Artikel
erreichen? Es tut mir leid, euch enttäuschen zu müssen, doch ich
habe noch kein Wundermittel gefunden, das den eigenen Müßiggang in
Situationen, in denen man etwas Unliebsames tun muss, unterbricht.
Vielmehr zähle auch ich zu besagten Vertretern jener
Rechtfertigungen (siehe oben), die das Lernen möglichst lange vor
sich her schieben. Dieser Artikel soll Mut machen. „Du bist nicht
allein!“ lautet die passende Devise. Vermutlich werden wir das
Aufschiebeverhalten im Laufe unseres Lebens niemals ablegen können
und deshalb ist es nur sinnvoll, sich jetzt schon einmal damit
abzufinden. Außerdem drängt sich doch auch unweigerlich die Frage
auf, ob es denn überhaupt so schlimm ist, zu prokrastinieren. Sagen
wir es mal so: Durch das Hinauszögern unserer Pflichten können wir
sowohl unsere Freizeit auskosten als uns auch noch (wenn auch
kurzfristig) mit den nicht zu umgehenden Aufgaben beschäftigen. Wer
prokrastiniert, hat also mehr vom Leben ;-).
Annika H., 12a