Montag, 9. Februar 2015

Prokrastination - ein unbekannt bekanntes Verhaltensschema

Nach erfolgreichem Prokrastinieren fangen wir nun an, in unserem Online-Auftritt aktiv zu werden. Einen lesenswerten Artikel zu diesem Phänomen, der in der Sommerausgabe 2014 erschienen ist, findet ihr hier.

Ein nicht näher zu bezeichnender Montagmorgen vor der ersten Stunde: Wie üblich chillt die MSS 11 in der Aula und tauscht sich über das mehr oder minder ereignisreiche Wochenende aus, wobei unvermeidlich auch die unangenehme Frage „Hast du schon für die Kursarbeit xy gelernt?“ auftaucht. Nachdem alle irgendetwas Unverständliches über Zusammenfassungen oder mal ausnahmsweise gemachte Hausaufgaben murmeln, antworte ich: „Ich habe am Wochenende erfolgreich prokrastiniert“. Stille. Zugegeben: Meine Wortwahl war schon etwas ausgefallener, aber dass wirklich niemand wusste, was das Wort „prokrastinieren“ bedeuten soll, gab mir zu denken. Auch dass mehrere Deutschlehrer unserer Schule (Ich will keine Namen nennen ;-)) nichts mit dem Wort anzufangen wussten, verunsicherte mich in meiner Überzeugung. Als der Ausdruck aber dann in meiner Überschrift, als ich begann diesen Artikel zu schreiben, rot unterschlängelt war, hielt ich kurz inne. Hatte ich all die Leute, denen ich dieses Wort in der Vergangenheit erklärt hatte, nicht eines Besseren sondern eines Schlechteren (gibt es das? :-D) belehrt? Existierte es überhaupt? Was tue ich also? Natürlich: Internet öffnen, Google befragen. Und da: Den Begriff gibt es, und er bedeutet genau das, wovon ich ausgegangen war. Lange Rede, kurzer Sinn: Prokrastination bedeutet so viel wie das Aufschieben unliebsamer Tätigkeiten.
Dieses Verhalten wird, laut Wikipedia, durch drei Kriterien gekennzeichnet: „Kontraproduktivität, mangelnde Notwendigkeit und Verzögerung.“ Langsam wird sicher klar, was an einem Wochenende, an dem man prokrastiniert, wohl so passiert. Richtig: Nichts, was als sinnvoll einzustufen ist. Das kann sich natürlich vollkommen unterschiedlich darstellen.
Man kann sich nun mit der Frage beschäftigen, warum man überhaupt prokrastiniert. Ich denke die Angst, sich der Menge an zu bewältigenden Faktoren zu stellen und an ihnen zu scheitern, Faulheit oder ein schlichtweg unerschütterlicher Glaube an die eigene Intelligenz sind schon mal ein paar gute Ansätze. Aber warum stellen wir uns nicht einfach dem, was wir erledigen sollen, wenn wir doch ohnehin nichts Besseres zu tun haben? Diese Frage ist natürlich rhetorischer Art, denn die Antwort ist, wann wir mal ehrlich sind, doch klar: Weil wir keine Lust haben bzw. andere Tätigkeiten für wichtiger halten. An dieser Stelle fällt mir auch Julia Engelmann ein, eine junge Poetry-Slammerin (oh, ein weiteres spannendes Thema ;-)) die letztes Jahr mit ihrem Text, in dem sie sich auf das Lied „one day baby we‘ll be old“ bezieht, und mit dem sie in ganz Deutschland Aufmerksamkeit erregte, sagte: „Ich bin so furchtbar faul, mein Patronus ist ein Schweinehund“. Sehr schöne Verbildlichung, wie ich finde.
Soweit, so gut. Wir halten also Tätigkeiten wie Fernsehen, Musik hören, Facebook, Freunde treffen etc. für wichtiger als unseren schulischen Erfolg. „NEIIIIN!“, werden da jetzt einige sagen, „Natürlich ist die Mathe-/Bio-/Geschiarbeit wichtig. Davon hängt schließlich meine Zeugnisnote, davon meine Versetzung, ab der 11/2 das Abitur und somit mein ganzes Leben ab (Anmerkung: Dieser Satz ist reichlich übertrieben und mit Humor zu verstehen). Man steht im Endeffekt im Zwiespalt „entweder Spaß oder Lernen“, und bis auf ein paar wenigen, mit eiserner Disziplin gesegneten Menschen (wer bewundert sie nicht…), fällt diese Entscheidung natürlich denkbar leicht.

Aber was ist mit unserem Gewissen? Meldet sich das nicht zu Wort, wenn man das Lernen für eben jene, höchst wichtige Mathe-/Bio-/Geschiarbeit hinten anstellt? Eigentlich schon, doch auch hier weiß sich die intelligente, aber arbeitsunwillige Schülerin natürlich zu helfen. Und wie? Sie erfindet eine Ausrede, um vor sich selbst die eigene Faulheit zu rechtfertigen. Glaubt ihr nicht? Hier eine kleine Kostprobe:
„Unter Druck kann ich viel besser arbeiten.“
„Wenn ich abends lerne, kann ich mir den Stoff viel besser merken.“
Oder einfach:
„Ich hab ja noch Zeit!“
Na, kommt euch da Irgendetwas bekannt vor? Auch wenn man es vielleicht nicht laut äußert, im Stillen redet man sich solche Dinge zur Legitimation der eigenen Untätigkeit doch des Öfteren ein, oder?
Wie aber kann man den inneren Schweinehund besiegen? Warum bringen wir uns andauernd in jene stressigen Situationen, in denen der Zeitdruck auf einmal immens hoch ist? Stellt sich mit der Zeit denn kein Lerneffekt ein? Eher nicht. Solange wir mit unserem nächtlichen Powerlernen vor Arbeiten, Referaten etc. eine halbwegs passable Note erreichen, ist wohl leider keine Besserung in Sicht…
Was aber möchte ich mit diesem Artikel erreichen? Es tut mir leid, euch enttäuschen zu müssen, doch ich habe noch kein Wundermittel gefunden, das den eigenen Müßiggang in Situationen, in denen man etwas Unliebsames tun muss, unterbricht. Vielmehr zähle auch ich zu besagten Vertretern jener Rechtfertigungen (siehe oben), die das Lernen möglichst lange vor sich her schieben. Dieser Artikel soll Mut machen. „Du bist nicht allein!“ lautet die passende Devise. Vermutlich werden wir das Aufschiebeverhalten im Laufe unseres Lebens niemals ablegen können und deshalb ist es nur sinnvoll, sich jetzt schon einmal damit abzufinden. Außerdem drängt sich doch auch unweigerlich die Frage auf, ob es denn überhaupt so schlimm ist, zu prokrastinieren. Sagen wir es mal so: Durch das Hinauszögern unserer Pflichten können wir sowohl unsere Freizeit auskosten als uns auch noch (wenn auch kurzfristig) mit den nicht zu umgehenden Aufgaben beschäftigen. Wer prokrastiniert, hat also mehr vom Leben ;-).

Annika H., 12a

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