Das Pubertieren ist grausam. Das weiß
vermutlich jeder, der da einmal durch ist; der nicht weiß, was mit
ihm geschieht. All das, was von der Natur gegeben ist und dem Lauf
der Dinge entspricht. Ja, die Pubertät ist grausam, aber was noch
schlimmer ist, ist die Vorpubertät. Und zwar für alle Beteiligten.
Den Betroffenen geht es - gelinde gesagt - scheiße, die Familie weiß
nichts mit ihnen anzufangen, alles in einem eine Scheißzeit.
Besonders, wenn man anders ist.
Ein Artikel über die Sorge dazuzugehören
Der hier geschilderte Vorfall hat sich
so wirklich ereignet und mich so mitgenommen, dass ich ihn
verschriftlichen wollte. Es geht um einen Jungen, dessen echter Name
hier keine Rolle spielt. Wir nennen ihn einfach Max.
Max ist fast 12 Jahre alt. Er geht in
die 6. Klasse des Gymnasiums. Er geht gern zur Schule, aber nicht
wegen des Unterrichts, sondern wegen der Pausen. Max genießt es
sehr, in der freien Zeit mit seinen Bekanntschaften über den
Schulhof zu streifen und sich über dies und das zu unterhalten.
Aber Max ist anders. Max war schon
immer anders. Als kleiner Junge genoss er es immer, Feen- und
Prinzessinnenkleider zu tragen, beim Spielen war er lieber ein
Mädchen als ein Typ und er hat Zeichenblöcke, auf denen er Outfits
für fiktive Modenschauen entwirft. Er liebt das und ist auch
wirklich gut darin.
Seit dem Kleinkindalter hat sich wenig
geändert. Natürlich läuft Max nicht in Röcken und Kleidern rum,
doch das Designen liebt er noch immer und er genießt es, sich mit
seiner Schwester und seinen Freundinnen über Nagellacke und Schminke
auszutauschen. Max hat hauptsächlich Freundinnen. Auch das war schon
immer so. Er kommt sehr gut mit Mädchen klar und seine Freundinnen
halten voll und ganz zu ihm. Sie sind wahrscheinlich glücklich über
einen so einfühlsamen und liebevollen Jungen.
Aber Max hat auch ein Problem. Die
Jungs aus seiner Klasse haben kein Verständnis für ihn. Sie sind
mittendrin in der vorpubertären Phase und fühlen sich so
unglaublich cool. Sie können nicht nachvollziehen, warum Max Ballett
tanzt und eine musische Seite hat, die feminin wirkt.
Also lassen sie sich über Max aus. Mit
den modernen Medien geht so etwas ja schnell. Zwei Knopfdrücke und
eine Aussage, die vielleicht als Scherz gemeint war, ist für immer
in den unendlichen Weiten des Internets festgehalten.
Ein Junge schreibt also in den
whats-app Klassenchat: „Max ist schwul“. Das ist so gesehen keine
schlimme Aussage, man könnte das auch gleichsetzen mit: „Max hat
ein rotes T-Shirt.“ Eine einfache Aussage. Die richtige Antwort
wäre wohl einfach: „Und wenn?“ Aber Max hat kein whats-app. Er
hat noch gar kein Handy und somit auch keine Chance, sich zu
verteidigen, sich in irgendeiner Weise dazu zu äußern. Max ist
schwach in dem Punkt. Und das ist auch der Grund, wieso der andere
Junge die Möglichkeit hatte, so etwas zu schreiben; Max kann sich
nicht wehren.
Glücklicherweise war Max stark genug,
mit seiner Familie darüber zu reden. Er hat von ihnen die volle
Unterstützung, hat sie schon immer gehabt. Seine Geschwister würden
jeden sofort zusammenschlagen, der ihrem Bruder ein Haar krümmt. Die
Eltern stehen hinter ihrem Sohn, versuchen ihren 11-Jährigen davon
zu überzeugen, dass selbst wenn die Aussage des Mitschülers stimmen
würde, das überhaupt kein Grund zur Sorge oder Scham wäre. Das
weiß Max auch, aber er formuliert in einem Satz, was viele
Erwachsene nicht verstehen: „Die haben das als Beleidigung gemeint,
deshalb fühlt es sich auch wie eine Beleidigung an.“
Und er hat Recht. Worte können
verletzen. Mehr als ein körperlicher Schaden. Von Worten kann ein
Kind so stark beschädigt werden, dass es sich selbst nie mehr treu
ist. Wie kann denn ein 11-Jähriger schon wissen, ob er schwul ist,
oder nicht!? Wie kann er verstehen, dass daran nichts falsch ist?
Man muss ihm helfen. In Max Fall war
das Cyber-Bullying nicht sehr extrem. Es war nur eine Aussage, die
ein Kind gemacht hat, das es nicht besser wusste. Aber da fängt es
an. Und von da geht es weiter.
Judith F., 12b
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