Mittwoch, 18. Februar 2015

Cyber-Bullying

Das Pubertieren ist grausam. Das weiß vermutlich jeder, der da einmal durch ist; der nicht weiß, was mit ihm geschieht. All das, was von der Natur gegeben ist und dem Lauf der Dinge entspricht. Ja, die Pubertät ist grausam, aber was noch schlimmer ist, ist die Vorpubertät. Und zwar für alle Beteiligten. Den Betroffenen geht es - gelinde gesagt - scheiße, die Familie weiß nichts mit ihnen anzufangen, alles in einem eine Scheißzeit.
Besonders, wenn man anders ist.

Ein Artikel über die Sorge dazuzugehören
Der hier geschilderte Vorfall hat sich so wirklich ereignet und mich so mitgenommen, dass ich ihn verschriftlichen wollte. Es geht um einen Jungen, dessen echter Name hier keine Rolle spielt. Wir nennen ihn einfach Max.
Max ist fast 12 Jahre alt. Er geht in die 6. Klasse des Gymnasiums. Er geht gern zur Schule, aber nicht wegen des Unterrichts, sondern wegen der Pausen. Max genießt es sehr, in der freien Zeit mit seinen Bekanntschaften über den Schulhof zu streifen und sich über dies und das zu unterhalten.
Aber Max ist anders. Max war schon immer anders. Als kleiner Junge genoss er es immer, Feen- und Prinzessinnenkleider zu tragen, beim Spielen war er lieber ein Mädchen als ein Typ und er hat Zeichenblöcke, auf denen er Outfits für fiktive Modenschauen entwirft. Er liebt das und ist auch wirklich gut darin.
Seit dem Kleinkindalter hat sich wenig geändert. Natürlich läuft Max nicht in Röcken und Kleidern rum, doch das Designen liebt er noch immer und er genießt es, sich mit seiner Schwester und seinen Freundinnen über Nagellacke und Schminke auszutauschen. Max hat hauptsächlich Freundinnen. Auch das war schon immer so. Er kommt sehr gut mit Mädchen klar und seine Freundinnen halten voll und ganz zu ihm. Sie sind wahrscheinlich glücklich über einen so einfühlsamen und liebevollen Jungen.
Aber Max hat auch ein Problem. Die Jungs aus seiner Klasse haben kein Verständnis für ihn. Sie sind mittendrin in der vorpubertären Phase und fühlen sich so unglaublich cool. Sie können nicht nachvollziehen, warum Max Ballett tanzt und eine musische Seite hat, die feminin wirkt.
Also lassen sie sich über Max aus. Mit den modernen Medien geht so etwas ja schnell. Zwei Knopfdrücke und eine Aussage, die vielleicht als Scherz gemeint war, ist für immer in den unendlichen Weiten des Internets festgehalten.
Ein Junge schreibt also in den whats-app Klassenchat: „Max ist schwul“. Das ist so gesehen keine schlimme Aussage, man könnte das auch gleichsetzen mit: „Max hat ein rotes T-Shirt.“ Eine einfache Aussage. Die richtige Antwort wäre wohl einfach: „Und wenn?“ Aber Max hat kein whats-app. Er hat noch gar kein Handy und somit auch keine Chance, sich zu verteidigen, sich in irgendeiner Weise dazu zu äußern. Max ist schwach in dem Punkt. Und das ist auch der Grund, wieso der andere Junge die Möglichkeit hatte, so etwas zu schreiben; Max kann sich nicht wehren.
Glücklicherweise war Max stark genug, mit seiner Familie darüber zu reden. Er hat von ihnen die volle Unterstützung, hat sie schon immer gehabt. Seine Geschwister würden jeden sofort zusammenschlagen, der ihrem Bruder ein Haar krümmt. Die Eltern stehen hinter ihrem Sohn, versuchen ihren 11-Jährigen davon zu überzeugen, dass selbst wenn die Aussage des Mitschülers stimmen würde, das überhaupt kein Grund zur Sorge oder Scham wäre. Das weiß Max auch, aber er formuliert in einem Satz, was viele Erwachsene nicht verstehen: „Die haben das als Beleidigung gemeint, deshalb fühlt es sich auch wie eine Beleidigung an.“
Und er hat Recht. Worte können verletzen. Mehr als ein körperlicher Schaden. Von Worten kann ein Kind so stark beschädigt werden, dass es sich selbst nie mehr treu ist. Wie kann denn ein 11-Jähriger schon wissen, ob er schwul ist, oder nicht!? Wie kann er verstehen, dass daran nichts falsch ist?
Man muss ihm helfen. In Max Fall war das Cyber-Bullying nicht sehr extrem. Es war nur eine Aussage, die ein Kind gemacht hat, das es nicht besser wusste. Aber da fängt es an. Und von da geht es weiter.
Judith F., 12b

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